Nach den Alben jetzt die Songs. Gute Musik war nämlich überall. Auf Alben, auf den enorm starken EPs, aber auch in den Releases, die komplett für sich standen; keine B-Seite, kein gar nichts. Sie waren einfach da, durch Videos, Streams, absurd limitierte 12“s, reichten als Statements und haben mich komplett umgehauen. Ich persönlich habe überhaupt kein Problem damit, dass die besten Songs des Jahres überall stattfinden. Auf Singles, EPs, Alben oder eben zwischendurch.
2017 habe ich vor allem zwei Entdeckungen gemacht, die mich wahnsinnig begeistert haben, obwohl oder vielleicht weil sie im richtigen Moment nur das „Jetzt“ haben sprechen lassen und sie könnten unterschiedlicher kaum sein. The Orielles ist ein Trio aus Halifax, das mit „Sugar Tastes Like Salt“ mal eben ein 8 ½-minütiges Stück Großartigkeit veröffentlicht, das vereint, worauf diese viel zu jungen und viel zu talentierten Leute Lust hatten. Das dürfen Sonic Youth sein, die mit A Certain Ratio ins Studio gehen und ESG, die sich gerade irgendwelche CAN-Dokus zum Einschlafen anschauen. So viel Schmutz und Funk steckt in den sich verrenkenden Knochen dieses Irrwitzes, der natürlich nicht auf dem nächstes Jahr erscheinenden Debüt-Album zu finden sein wird. „Sugar Tastes Like Salt“ ist mein Song des Jahres und jede Sekunde wert. Immer noch und leider unter den Radaren dieser Welt operieren die beiden von S4U, die sich so absurd stilsicher an ein Update von 90s-infiziertem RnB wagen, das bislang niemandem so gut gelingen sollte. „Friends“ ist ein Song, den ich im frühen Herbst durch das Videoprojekt von NTS kennengelernt habe und wie auch der Rest der überschaubaren Discografie nicht mehr aus dem Ohr will. Vortrag, Beat – alles will, dass ich nicht erwachsen werde und 1998 vor meiner Tschibo-Anlage verende, aber hey. Liebe.
Musikalisch war das jahr einfach extrem gut zu mir. Liebe auf den ersten Lausch lösten auch die mir bis dato gänzlich unbekannten Lanark Artfax, Giraffi Dog und Kedr Livanskiy aus. Der Schotte Lanark mit atmosphärischem Breakbeat-Wahnsinn, die bei jedem anderen Aphex-Epigonen für rote Ohren sorgen dürfte. Giraffi Dog mit „351 Nation“ und einem im kleinen so euphorischen Psychedelic-House-Spaßmacher, das selbst dem grimmigsten Tanzflur-Verweigerer einen Muskelkater im Mundwinkel verpassen dürfte und natürlich „Ariadna“, dieses mit Gänsehaut gesegnete Electro-Pop-Gespenst, von dem ich mangels Russisch-Kenntnisse maximal ein Wort verstehe, das aber vielleicht auch gar nicht so wichtig ist. Und über Molly Nilsson habe ich jetzt ohnehin so viel geschrieben, was bleibt mir noch, wenn ohnehin die Worte fehlen?
Wir können nicht das Wort Gänsehaut abhandeln, ohne „Glue“ von Bicep zu erwähnen, das vor allem in Kombination mit dem Nostalgie neu definierenden Video die alten Rave-Tage beschwört und dabei so schwermütig und melancholisch noch einmal die Arme nach oben wirft. Floating Points war so nett und hat mit „Ratio“ wieder einen Track am Start, der den guten Mann endlich wieder aus der Wüste holt, Burial musste schon Hyperdub verlassen, um wieder zu begeistern, Joy Orbison kam gleich doppelt zurück und durfte mit „Rid“ erfolgreich mehr Beine als Kopf ansprechen und das indirekte Comeback von Ex-Wunderkind Jai Paul als doppelter Baumeister im ursprünglichen und übertragenen Sinne konnte besonders durch den sensationellen Ruthven-Track nicht besser sein.
Machine Woman, die mit schroffem House Camille aus dem OHM huldigt, Finn, der ungenierte Peaktime-Euphorie zurückholt, Avalon Emerson, die mit mit melodischem Deep House dort weitermacht, wo sie letztes Jahr aufhörte, Elll, Klein, Shanti Celeste mit Warehouse-Hymne, experimentellem Genre-Mash-Up und rollendem Post-Dubstep (kennt das noch jemand?) erstmals auf meiner Landkarte, die LoFi-Boys DJ Seinfeld und Ross From Friends und natürlich Objekt, der mal wieder alles kann.
Props an die Ilian-Tape-Crew mit Skee Mask und Andrea, an den weirden Pop von Sassy 009 oder (mal wieder) Dean Blunt, Superorganism (!), C.A.R. oder Snapped Ankles. Indie bzw. was davon übrig blieb, schrieb mir 2017 so meine eigenen Geschichten. Da wäre z.b. boy pablo, der im Jahr der YouTube-Algorithmen plötzlich in Hundertausenden Feeds gespült wurde und niemand so wirklich weiß, warum, dabei ist „Everytime“ ein formschöner Hit im sklackenden DeMarco-Stil. „Rules“ der schon in der Albenliste zurecht bejubelten Band Hoops ist nicht zuletzt dank der butterweichen Drums und der klingelnden Gitarren im Sektor Indie-Ohrwurm die große Sensation meines Jahres, Erregung öffentlicher Erregung dürfen nach dem Podcast ebenso wenig fehlen, wie die Australier der Rolling Blackouts Coastal Fever, die mit „French Press“, einen geradezu aus der Zeit gepurzelten Gassenhauer der 00er-Party-Ära auf den Plattenteller warfen.
RnB gewann dank der stilsicheren Tracks von Liana Banks, Mahalia, DUVV oder Joyce Wrice gerade bei den Frauen, aber Zufallsentdeckung The Pheels, die sich mit dem besten Frank-Ocean-Track seit 5 Jahren einen Sitz am Tisch ergattern durften, sollten dringend im Ohr behalten werden. Jetzt könnte ich noch über den Acid-Elektro von Helena Hauff sprechen, die Pop-not-Pop-Hits von Carla dal Forno, die doppelte Sophia Kennedy, die Solo und als Teil von Shari Vari mit Songs in diese Liste gehört, ich könnte über das auch 2017 wieder – zumindest für mich – elementar wichtige Label 777 sprechen, das den Russen Xan den 10-Minuten-90s-Breakbeat-Track „Between“ hat veröffentlichen lassen, über das Aaliyah-Cover von Kelly Lee Owens, über den vertonten Frühling in Florenz (nicht hinterfragen, klingt gut) vom TOPS’schen „Petals“, über den besten Track der Mike-Skinner-Rückkehr usw usf, aber irgendwie ist dafür auch die Playlist da. Seht zu, dass ihr bei Spotify die nicht verfügbaren Tracks anzeigt, dann erscheinen Molly Nilsson, Giraffi Dog, Rising Sun und co. auch bei euch.
01_ The Orielles – Sugar Tastes Like Salt
02_ Lanark Artefax – Touch Obscene
03_ S4U – Friends
04_ Molly Nilsson – Money Never Dreams
05_ Giraffi Dog – 351 Nation
06_ Kedr Livanskiy – Ariadna
07_ Bicep – Glue
08_ Burial – Pre Dawn
09_ Erregung öfenticher Erregung – Wo soll ich hin?
10_ Shopping – The Hype
11_ Rising Sun – Yours
12_ Laure Halo – Syzygy
13_ Xan – Between
14_ Floating Points – Ratio
15_ Ruthven – Evil
16_ Turinn – Eso
17_ Rolling Blackouts Coastal Fever – French Press
18_ DJ Seinfeld – Time Spent Away From U
19_ Sophia Kennedy – Kimono Hill
20_ Sieren – Tailored Mistakes
21_ Exploded View – Summer Came Early
22_ Kelela – LMK
23_ Andrea – Blew
24_ Actress – X22RME
25_ Kelly Lee Owens – More Than A Woman (Aaliyah Cover)
26_ Oneohtrix Point Never – The Pure nd the Damned
27_ Helena Hauff – Gift
28_ John Maus – Teenage Witch
29_ Palmbomen II – Ultimate Lovestory Fantasy
30_ Skee Mask – Routine
31_ Carla dal Forno – Make Up Talk
32_ TOPS – Petals
33_ Princess Nokia – Bart Simpson
34_ The Darker the Shadow the Brighter the Light – Your Wave God’s Wave God
35_ Joy Orbison – Rid
36_ The Pheels – Als (Ass Like Serena)
37_ Objekt – Theme from Q
38_ Gingerlys – Turtledoves
39_ yaeji – drink i’m sippin on
40_ Deerhoof – Come Down Here & Say That
41_ Avalon Emerson – One More Fluorescent Rush
42_ Superorganism – Something On Your M.I.N.D
43_ DJ Central – Drive
44_ Lone – Crush Mood
45_ Hoops – Rules
46_ WK7 – Rhythm 1
47_ Ross From Friends – Crimson
48_ Fazerdaze – Lucky Girl
49_ Sassy 009 – Are you leaving
50_ Tzusing – 日出東方 唯我不敗
51_ boy pablo – everytime
52_ Dean Blunt & Joanne Robertson – FUCKBOY ANTHEM
53_ Djrum – Showreel, Pt. 2
54_ Shari Vari – Overdose
55_ Moirè – Lost You (feat. DRS)
56_ Machine Woman – Camille From OHM Makes Me Feel Loved
57_ Snapped Ankles – Hanging With The Moon
58_ Dauwd – Leitmotiv
59_ Vince Staples – Big Fish
60_ Redlight – City Jams
61_ Daphni – Hey Drum
62_ Young Fathers – Only God Knows
63_ Smerz – Have fun
64_ Shanti Celeste – Make Time
65_ Klein – Arrange
66_ Kendrick Lamar – ELEMENT.
67_ Matthew Herbert – Brand New Love
68_ Fabiana Palladino – Mystery
69_ FEWS – LaGuardia
70_ Elll – Romance
71_ SALES – Chinese New Year
72_ Forest Swords – The Highest Flood
73_ Joyce Wright – Good Morning
74_ Talaboman – Sae Changes
75_ Agent bla – (Don’t) Talk To Strangers
76_ Strange U – Hank Henshaw
77_ WALL – Save Me
78_ Finn – Sometimes the Going Gets a Little Tough
79_ King Krule – Dum Surfer
80_ Negative Gemini – You Weren’t There Anymore
81_ Tempers – Far
82_ Four Tet – You Are Loved
83_ Frank Ocean – Chanel
84_ Cummi Flu – Papadam
85_ Asok – Virtual Light
86_ Lukid – Twisted Blood
87_ Falease – Come Up In A Minute
88_ Molly Burch – Fool
89_ Shabazz Palaces – Shine a Light
90_ DUVV – Cold
91_ French Vanilla – Carrie
92_ Jakuzi – Geriye Dönemiyor
93_ C.A.R. – Hard To Keep My Mind On You
94_ Randomer – Smokin
95_ Mahalia – Sober
96_ Vex Ruffin – Front
97_ Aye Nako – Hal Dome
98_ Prayer – Seeing
99_ Liana Banks – Ghost
100_ Special Request – Brainstorm